Rucksäcke gepackt, Hütten-Tickets gecheckt und dann noch einen letzten Blick auf die Infotafel, um den richtigen Weg einzuschlagen, und los geht’s!
Aber Moment: Was steht auf der Infotafel? „Booking required!“ Buchung benötigt? Für die „Angelus Hut“?!
Genau dort wollten wir doch hin, und zwar ohne Buchung, so wie es uns die Dame vom Visitor Center in Motueka erklärt hatte…

Mit diesen Komplikationen startete unsere viertägige Wanderung im „Nelson Lakes National Park“. Da wir den Great Walk „Heaphy Track“ wegen mangelnden Transportmöglichkeiten abblasen mussten, freuten wir uns umso mehr auf die reizvolle Alternative: Die Nelson Lakes! Diese waren weniger touristisch, man musste nicht vorbuchen und wir konnten in Hütten übernachten. So war zumindest der Plan.
Doch als wir auf dem Mount Robert Carpark endlich einen Parkplatz gefunden hatten, erwartete uns die böse Überraschung: Die Hütte auf der Spitze des Berges musste vorgebucht werden! Hilflos standen wir auf dem Parkplatz, zumal zu allem Übel auch noch unser Internet ausgegangen war.
Über einen Anruf beim DOC-Visitor Center erfuhren wir, dass die Hütte nun leider schon ausgebucht sei – und jetzt?!

Unsere Wanderung stand auf der Kippe, und das nur, weil ein Visitor Center es nicht schaffte, uns die Wanderung richtig zu planen!
Doch so schnell ließen wir uns nicht einen Strich durch die Rechnung machen: Einige Telefonate später hatten wir es geschafft, die viertägige Wanderung in eine fünftägige umzuwandeln und den Rundweg in gegengesetzte Richtung zu planen, um die Hütte auf der Spitze des Berges am neu gebuchten Tag zu erreichen. Schnell packten wir unsere letzten Reis- und Porridge-Reserven, die wir glücklicherweise noch im Auto hatten, ein.
Nun konnte es endlich los gehen!

Am ersten Tag erwarteten uns nur drei Stunden Fußweg, der es jedoch ganz schön in sich hatte. Über Wurzeln und Steine und sogar über Flussläufe stiegen wir, um am frühen Abend an der „Speargrass hut“ anzukommen. Diese machte mit einem Matratzenlager, einem Ofen, einer Kochfläche und einem Tisch einen sehr gemütlichen Anschein. Auch die drei älteren Herren, die sich mit uns die Hütte teilten, begrüßten uns freundlich. Als wir unsere Wanderhosen gegen Jogginghosen getauscht hatten, bereiteten wir das Abendessen vor und unterhielten uns mit den anderen Wanderern. Als wir unsere Kochplatte, die wir aus dem Camper mitgenommen hatten, auspackten, konnten die drei erfahrenen Wanderer kaum ihren Augen trauen. Wie konnten wir solch eine schwere Kochplatte den Berg hinaufschleppen wollen? Es dauerte eine Weile, bis wir ihnen die Umstände erklärt hatten: Campervan, große Kochplatten und man nimmt natürlich das mit, was man eh schon hat. Doch diese Kochplatte sorgte auch in den weiteren Tagen für Lacher…

Am nächsten Morgen machten wir uns mit frischer Energie vom Frühstücks-Porridge wieder auf den Weg.
Eine fünfstündige Wanderung lag vor uns. Und diese forderte uns mehrmals: Anstelle eines festen, breiten Wanderwegs mussten wir nach manchmal schwer erkennbaren, orangenen Pfeilen, die uns zur nächsten Hütte führen sollten, Ausschau halten. Außerdem wurde uns teilweise von umgefallenen Bäumen der Weg versperrt. Es sah bestimmt nicht sonderlich elegant aus, wie wir uns mit den dicken Rucksäcken über die Bäume hievten oder versuchten, unten durchzukriechen…

Doch ein paar Stürze und Müsliriegel später kamen wir nach sechs Stunden endlich an der „Sabine Hut“ an. Die zweite Hütte lag am „Lake Rotoroa“, in den wir nach der anstrengenden Wanderung erstmal sprangen und unsere Muskeln abkühlten.

Nachdem wir uns abgetrocknet hatten, mussten wir uns jedoch schnell in die Hütte flüchten, da wir sonst von den tausenden, bösen Sandflies fast aufgefressen worden wären.
Ja, Sandflies gab es leider nicht nur in Australien, sondern auch in Neuseeland, und dort waren sie uns gegenüber viel aggressiver. So waren am zweiten Tag der Wanderung unsere Knöchel bereits total verstochen. Wir konnten nur noch hoffen, dass unsere Füße noch in die Wanderschuhe passten…

Am dritten Tag war es soweit: Wir wollten auf „Mount Cedric“ hinauf! So klingelte der Wecker um 5.00 Uhr, wir frühstückten und packten alles zusammen. Pünktlich zu Sonnenaufgang marschierten wir los.
„Mt Cedric 6h“, laßen wir auf dem Wegweiser. Da an diesem Tag für abends jedoch ein Sturm angekündigt war, wollten wir bereits am frühen Mittag an der „Angelus Hut“ ankommen.

Bereits nach den ersten zehn Minuten bemerkten wir, dass es sehr anstrengende sechs Stunden werden würden. Wie viel Kraft uns diese letztendlich wirklich kosten würden, dem waren wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst…
Motiviert kämpften wir uns den steilen Waldweg hinauf uns legten immer wieder Verschnaufpausen ein. Je weiter wir nach oben gelangten, desto mehr zogen sich die Wolken zusammen. Nach zweieinhalb Stunden hatten wir die Baumgrenze erreicht und wir freuten uns schon auf den schönen Ausblick. Doch als wir aus dem Wald den dunklen Wolken entgegen liefen und uns umdrehten, sahen wir: NICHTS! Wir konnten gerade mal bis zu den Grasbüschen zehn Meter vor uns sehen, so neblig war es! Enttäuscht machten wir uns weiter auf den Weg nach oben.

Doch kurze Zeit später fing es auch noch an zu regnen. Erst ein paar Tropfen, dann immer stärker. Durch das nasse Gras, durch das der Weg uns führte, stand nach wenigen Minuten in unseren Schuhen das Wasser und wir waren komplett durchnässt. Der Regen zwang uns, immer schneller zu laufen und keine Pausen mehr einzulegen, da wir befürchteten, dass das Wetter noch schlimmer werden würde. Und unsere Befürchtung wurde leider später wahr.
Als wir fast am Bergkamm angekommen waren, fing es heftig an zu stürmen.

Der Sturm wurde Schritt für Schritt stärker, sodass der Wind drohte, uns mit den riesigen Rucksäcken davonzuwehen. Wir hatten große Schwierigkeiten, die Balance mit den großen Backpacks zu halten und nicht umzufallen. Ein weiterer Windstoß. Vor uns ein Bergkamm nach dem anderen. Rutschige Felsen. Steile Abhänge.

Mehrere Male dachten wir darüber nach, umzudrehen. Doch da wir uns bereits näher an der „Angelus Hut“ auf der Spitze des Berges als an der „Sabine Hut“ befanden, hätten wir mehr Energie benötigt, um den Weg zurückzugehen. Es half alles nichts, wir mussten durch den Sturm!

Langsam, Hand in Hand, kämpften wir uns durch den Regen, suchten nach Wegweisern im Nebel, rutschen ab, fingen uns wieder, fielen hin, standen auf und liefen so vorsichtig und so schnell wir konnten. Wir stiegen immer weiter den Berg hinauf. Doch der Weg wurde nicht leichter, ganz im Gegenteil. Immer mehr Bergspitzen und rutschige Felsen tauchten in unserem Blickfeld auf. Dazu kam die eisige Kälte, die der Regen mit sich brachte. Gefrorene Finger. Angst machte sich in uns breit. Besonders Leslie hatte Momente, in denen sie weder einen Schritt nach vorne noch zurück machen wollte. Doch Lars dachte in diesen Momenten an den Seefahrer Dave, der uns erklärte: „Go further. Don’t give up. You won’t die. You’ll get through the storm. Always!“

Immer weiter! Immer weiter!

Und endlich: In der Ferne konnten wir die leichten, vom Nebel verschwommenen Umriss einer Hütte erkennen!
Und als wir in Höchstgeschwindigkeit darauf zuliefen, waren wir uns auch sicher, dass es diesmal keine neblige Fata Morgana war, sondern die waschechte „Angelus Hut“. Wir konnten unser Glück kaum fassen! Wir hatten es geschafft!

Völlig durchnässt und ausgelaugt öffneten wir die Hüttentür und legten uns zunächst trocken. Tatsächlich waren wir in der Hütte ganz alleine, jedoch stand in der Mitte des Raumes ein großer Holzofen, in dem wir sofort Feuer machten, um unsere Hände und Füße, die zu Eisklötzen geworden waren, aufzutauen. Ein heißer Tee und unsere Schlafsäcke halfen uns, langsam wieder wärmer zu werden.

Während wir uns vom Sturm erholten, kamen tatsächlich noch fünf andere, lebensmüde Wanderer in der Hütte an. Zu siebt setzten wir uns ums Feuer und konnten von der wohligen Wärme gar nicht genug bekommen.
Abends kochten wir mit unserem Premium-Gaskocher leckere Nudeln, was natürlich wieder für einige Lacher sorgte: „Was? Wirklich? Dieses Teil habt ihr mit euch den Berg hochgeschleppt?!“
Auch die beiden Ranger, die um 19.30 Uhr in der Hütte aufkreuzten, rissen zuerst einen Witz über unseren riesigen Cooking Stove. Anschließend trug Veronika, in T-Shirt und kurzer Hose, aber immerhin mit Mütze, uns den „Hut Talk“ vor. Dieser beinhaltete alle wichtigen und unwichtigen Infos zur „Angelus Hut“. Wir kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, als Veronika in der Hütte herumhüpfte und uns auf komödiante Art und Weise deutlich machte, dass wir zum Beispiel nicht in den See, sondern in die Toilette pinkeln sollten.
Somit wurde der anstrengende Tag doch noch zu einem sehr lustigen Abend auf der „Angelus Hut“.

Jedoch wollten wir uns nicht noch einmal in die Gefahr von Unwetter bringen. So beschlossen wir, auf den Wetterbericht des nächsten Tages zu warten und im Notfall eine Nacht länger auf der Hütte zu verbringen.
Morgens um 8.30 Uhr hüpfte Veronika herein und pinnte mit einem gut gelaunten „Good morning, campers!“ den Wetterbericht an die Wand: Regen, Regen, Regen!
Für die nächsten Tage war nicht eine einzige, trockene Stunde vorausgesagt. Da der Regen jedoch Tag für Tag schlimmer werden sollte, beschlossen wir, am selben Tag den Kampf auf uns zu nehmen, da es weitgehend windstill bleiben sollte. Leider mussten wir von Veronika erfahren, dass der Weg, den wir zur „Cold Water Hut“ laufen wollten, viel zu gefährlich war bei Regen. So beschlossen wir schweren Herzens, unsere Wanderung zu verkürzen und direkt zurück zum Mt. Robert Carpark zu wandern.

Warm eingepackt und mit noch nassen Schuhen verließen wir um 10.30 Uhr die Hütte und begaben uns in die Kälte. Nach vier Stunden durch den puren Regen hatten wir den sechsstündigen Abstieg vom Berg geschafft.
Pitschnass, aber froh und munter kamen wir am Auto an und freuten uns wie noch nie zuvor auf die heiße Dusche auf dem Campingplatz…

Kategorien: Neuseeland

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