Die Welt im Chaos. Deutschland als Krisengebiet. Und wir in Neuseeland…

Die Nachricht, dass unser Flug gecancelt sei, überraschte uns nicht sonderlich. Über die letzten Wochen hatten wir immer wieder Informationen zu Corona und der Situation in Deutschland von unserer Familie bekommen. Doch schien uns die Situation weit entfernt und unwirklich. Wir konnten uns im noch unbetroffenen Neuseeland, ohne jegliche Nachrichten und Zeitungen, von unserem Campervan geschützt vor den Weltneuigkeiten, kaum vorstellen, was der Virus anrichtete. Doch sollte sich das schnell ändern…

Am nächsten Morgen war es schließlich so weit: Unser Roadtrip in Neuseeland war zu Ende und wir mussten nachmittags unseren Campervan abgeben. Das bedeutete: Alle über sechs Monate mühevoll angesammelten, nötigen und unnötigen Materialien aus jeder Ecke des Campers räumen und die unmögliche Aufgabe zu meistern, die 100 Sachen in zwei Backpacks zu packen.

Doch noch musste es nicht zu perfekt gepackt sein, denn bevor wir den Campervan abgaben, brachten wir unsere Rucksäcke in unser neues Zuhause: Bei Tracy und Paul!
Die beiden Kiwis hatten wir auf der Nordinsel zufällig kennengelernt. Eine einzigartige Geschichte: Unterwegs im Kauri-Wald standen sowohl wir als auch Tracy und Paul vor dem zweitgrößten Kauri-Baum der Welt. Selbstverständlich wollten wir beide ein tolles Foto als Andenken von dem Waldriesen haben. So schossen wir gegenseitig Fotos, kamen miteinander ins Gespräch und hatten uns auf Anhieb so viel zu erzählen, dass wir den ganzen Rückweg lang miteinander quatschten. Am Ende der halbstündigen Wanderung gaben Tracy und Paul uns ihre Handynummer und luden uns ein, in Christchurch zu ihnen nach Hause zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass diese Begegnung das Ende unserer Reise rettete…

Nachmittags trafen wir samstags in Christchurch an, wo Paul uns schon an der Türschwelle erwartete. Er führte uns durch das wunderschöne und geräumige Haus, das gegen unseren Campervan echt luxuriös erschien. Neben einem bunten Garten mit Spa erwartete uns ein eigenes Zimmer mit riesigem Bett – das hätten wir uns nicht erträumen können!
Schnell gaben wir unseren Campervan bei Spaceships ab, um mit Paul wieder in unser neues Zuhause für die nächsten zwei Tage zurückzukehren. Gegen Abend kamen Tracy und ihr jüngerer Sohn Olly, den wir neu kennenlernten, nach Hause. Mit ihnen schnüffelte das jüngste Familienmitglied in den Raum: Chester, ein elf Wochen alter Welpe – und so zuckersüß, dass wir beide direkt von ihm um den Finger gewickelt wurden!

Doch die wohlige und gemütliche Atmosphäre wurde blitzschnell durchbrochen, als Tracy die News von der neuseeländischen Regierung verkündete: Jeder, der aus dem Ausland nach Neuseeland reist, ausgeschlossen von den pazifischen Inseln, muss sich zwei Wochen ohne Ausnahmen in Selbst-Isolation begeben! Diese Nachricht schockierte uns, denn sie stellte unsere weitere Planung, nach Vanuatu zu fliegen, auf die Kippe. Was, wenn Neuseeland neue Entscheidungen trifft? Wir in zweiwöchige Selbst-Isolation müssen, und dann unseren Flug nach Singapur verpassten? Oder wenn Neuseeland seine Grenzen ganz schließt? Und wir in Vanuatu festsitzen, während Corona zuschlägt?

Die Gedanken und Befürchtungen häuften sich, und wir konnten nicht mehr klar denken. Einerseits wollten wir das Abenteuer „Vanuatu“ nicht aufgeben, einmal auf einer einsamen Insel leben und vor allem die Erfahrung der Mitarbeit in der Schule nicht verpassen. Andererseits waren wir uns sicher, dass wir lieber in Neuseeland festsitzen würden, falls wir nicht nach Hause kämen. Und das Angebot von Tracy und Paul stand: Ihr könnt bleiben, bis ihr nach Hause kommt!
Nach zwei Tagen Diskussion, Überlegungen und Kopfzerbrechen trafen wir die Entscheidung: Wir bleiben in Neuseeland! Mit der aktuellen Situation und des Gesundheitsrisikos mussten wir schweren Herzens den Trip nach Vanuatu, „ins Warme“, absagen.

Trotzdem waren wir uns nach den ersten zwei Tagen bei unserer Kiwi-Familie sicher, dass die letzten drei Wochen unserer Reise ein voller Erfolg werden würden.

Während wir samstags im Spa entspannten, besuchten wir sonntags ein Hocky-Spiel von Olly. Anschließend besichtigten wir gemeinsam mit Tracy und Paul „Lylleton“, ein Vorort Christchurchs, der von einer beeindruckenden Landschaft umgeben war. In „Sumner“ aßen wir zu Mittag, bei dem Paul und Tracy uns Spannendes über Christchurch erzählten. Immer mit dabei war natürlich Chester, der quirlige, kleine Rabauke.

So wie Tracy es uns angekündigt hatte, fühlten wir uns schon nach den ersten zwei Tagen zu Hause. Nach fast sechs Monaten als Backpacker war es für uns beide ein schönes Gefühl, mal wieder ein Zuhause und einen halbwegs geregelten Tagesablauf zu haben, drei Mal am Tag gemeinsam zu essen und das Familienleben zu genießen.

Selbstverständlich wollten wir uns im neuen Zuhause auch nützlich machen. So machten wir mit Tracy und Paul aus, als „Woofer“ Aufgaben im Haushalt zu erledigen.
So staubsaugten wir das Haus, halfen Paul im Garten, pflückten Äpfel und Birnen, strichen den Gartenzaun und trainierten vor allem den kleinen Chester in „Sitz“, „Platz“ und „Lass das“.
Außerdem blieb uns genügend Zeit, um alle Ecken von Christchurch zu entdecken. Mit den Fahrrädern von der Family radelten wir drauf los, shoppten ein bisschen, fuhren an den Strand der Stadt in „New Brighton“ und aßen bei herrlichem Wetter ein Eis auf dem Markt. Obwohl viele Reisende die Stadt als „hässlich“ und „nicht sehenswert“ beschrieben, waren wir ganz anderer Meinung und verliebten uns immer mehr in die Stadt.

Doch unser Glück wurde – wie könnte es anders sein – natürlich von Corona überschattet. Während die Lage in Neuseeland noch entspannt war und Verwechslungswitze mit der dort bevorzugten Biermarke gerissen wurden, brach in Deutschland und in vielen anderen Ländern das absolute Chaos aus. Auch in Neuseeland reagierte die Regierung auf das Geschehen und erließ weitere Einreisebeschränkungen. Schnell bemerkten wir, dass das Reisen mit dem Corona-Virus nicht ganz zusammenpasste. Die Lage spitzte sich in unserer Woche in Christchurch drastisch zu. Jeden Abend verfolgten wir die Nachrichten und die Ungewissheit über die Situation ließ uns ins Straucheln geraten.

Denn ein Teil unseres Heimflugs war bereits gecancelt. Zum Glück hatten wir einen Alternativflug, der am ursprünglichen Datum abfliegen sollte, zugeschickt bekommen. Obwohl dieser uns etwas beruhigte, bestand immer noch die Ungewissheit, was in den nächsten Wochen passieren könnte.

Kommen wir nach Hause? Wird der Flugverkehr eingestellt? Was sollen wir tun?

Kategorien: Neuseeland

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